Gehre, Präsident
Handwerkskammer Hannover/Seeger
Handwerkskammerpräsident Thomas Gehre an seinem neuen Schreibtisch.

Interview mit Thomas Gehre100 Tage Präsident

Hannover.- (see) Das sind einige der Fragen, die wir dem neuen Präsidenten der Handwerkskammer Hannover rund 100 Tage nach Amtsantritt gestellt haben. Hier sind die Antworten.

Herr Gehre, was bedeutet das Amt des Präsidenten für Sie?

Thomas Gehre: Es ist mir eine Ehre, alle Kolleginnen und Kollegen im Kammerbezirk auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zu vertreten. Das Amt ist eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle. Alle Aufgaben, die vor mir liegen, nehme ich ernst. Und ich möchte sie gut machen. Insofern arbeite ich mich zunächst weiter tief in alle Themen ein. Dabei habe ich schon jetzt große Unterstützung – aus dem Hauptamt, durch meine Ehrenamtskolleginnen und –kollegen und auch durch meine Mitarbeitenden im Betrieb. Und ganz klar auch durch meine Frau, die mir den Rücken freihält.

In meiner Antrittsrede habe ich einen zentralen Aspekt, der mir wichtig ist, schon hervorgehoben: Die anstehenden Aufgaben lassen sich nur gemeinsam und sachorientiert bewältigen. Und mit gemeinsam meine ich wirklich alle: den Vorstand der Handwerkskammer Hannover, dem Hauptamt der Kammer und im Schulterschluss mit den Kreishandwerkerschaften und Innungen.

Corona scheint halbwegs überstanden. Was ist für danach wichtig für die Betriebe?

Ich ziehe vor allen Handwerkerinnen und Handwerkern den Hut, wie sie sich durch die Corona-Krise manövriert haben. Jetzt müssen wir alle miteinander wieder die Netzwerkarbeit verstärken. So gut die Online-Formate diese Zeit überbrückt haben -  der persönliche Austausch nach innen und auch mit externen Partnern ist durch nichts zu ersetzen. Und darauf freue ich mich!

Welche Schwerpunkte haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen? Und warum?

Das Thema Nachwuchsgewinnung gegen den Fachkräftemangel ist und wird das Kernthema im Handwerk bleiben. Damit sind wir im Handwerk nicht allein. Vielmehr sind nahezu alle Wirtschaftsbereiche betroffen. Es fehlt schon heute qualifiziertes Personal. Und in der Ist-Situation hat sich der demografische Wandel noch gar nicht voll ausgewirkt, denn die Babyboomer sind noch nicht alle im Rentenalter. Mit vereinten Kräften dürfen wir nicht nachlassen, für eine Karriere im Handwerk zu werben.

Darüber hinaus ist es mir wichtig, über den Tellerrand des Kammerbezirks hinaus zu schauen. Die meisten Regeln werden in Brüssel gemacht. Hier sollten wir uns von der Basis aus da, wo es möglich und sinnvoll ist, gemeinsam mit dem ZDH und anderen Kammern und Verbänden, stärker einbringen. 

Der dritte Punkt, der mir am Herzen liegt, ist die Steigerung der Wertschätzung für das Unternehmertum. Es ist nicht hoch genug wertzuschätzen, was die Betriebsinhaber leisten – für die Wertschöpfung, ihre Mitarbeitenden und die Gesellschaft. Das sollten wir deutlich machen, damit wir auch in Zukunft noch Übernehmer für unsere Betriebe finden und junge Menschen motivieren können, die Karriereleiter nach oben zu steigen und als Unternehmer auch gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

Wie kann das Handwerk junge Leute für sich begeistern?

Wir sollten sie alles ausprobieren lassen. Möglichst früh, bereits im Kindergarten bis hin zum Betriebspraktikum sollten Kinder und Jugendliche barrierefrei die Möglichkeit bekommen, mit ihren eigenen Händen etwas zu gestalten und herzustellen. Das ist der beste Weg, sie für das Handwerk aufzuschließen.

Außerdem müssen wir die Eltern, die ihre Kinder in der Berufswahl unterstützen, davon überzeugen, dass das Handwerk gute Karrieremöglichkeiten bietet und sich auch die Verdienstmöglichkeiten sehen lassen können. Nicht jeder und jede wird mit einem Studium glücklich. Im Übrigen schließt das Erlernen eines Handwerksberufs ein Studium nicht aus. Wir bieten mit den trialen Studiengängen ja genau die Kombination aus Theorie und Praxis an. Es ist wichtig, dass Eltern ihre Kinder ergebnisoffen begleiten. Schließlich liegt Eltern das Glücklich sein ihrer Kinder mit Sicherheit mehr am Herzen, als allein das Einkommen.

Ich möchte die Berufsorientierung in den Gymnasien stärker verankern und das BerufsAbitur bekannter machen. Neben der Ausbildung auch noch die Fachhochschulreife zu erwerben ist eine ausgezeichnete Möglichkeit für alle, die sich neben der Theorie auch gerne mit der Praxis und der Umsetzung von Lösungen beschäftigen.

Außerdem ist die Qualität in der Ausbildung von entscheidender Bedeutung. Da ist unsere Auszeichnung „primAQ“ für Ausbildungsbetriebe ein sehr gutes Instrument. Die Betriebe, die sie erworben haben, können stolz darauf sein und bei Kunden und Mitarbeitenden damit punkten. Außerdem bekommen sie auf mittlere Sicht mehr Bewerberinnen und Bewerber für ihre Lehrstellen und die Azubis machen gute Werbung durch Mund-zu-Mund-Propaganda.

Im Herbst sind Landtagswahlen in Niedersachsen. Was sind Ihre zentralen Forderungen an die Landespolitik?

Da gibt es einige. Lassen Sie mich zwei deutlich hervorheben: Das größte Thema ist und bleibt der Bürokratieabbau. Es gibt so viele Vorschriften, die nicht helfen, sondern hemmen, insbesondere bei der Auftragsvergabe. Die eingerichtete Clearingstelle ist ein guter Schritt, aber eben zunächst nur einer. Jetzt muss diese Stelle und infolge auch die kommende Regierung ins Handeln kommen.

Im Übrigen ist es an der Zeit, dass die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung den Stellenwert bekommt, der ihr im Gesamtkontext Gleichwertigkeit von dualer und akademischer Ausbildung zusteht. Und das umfasst für mich auch klar die Rückkehr zu einer echten Drittel-Finanzierung.

 

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